Rückblick TIBO AfterWork Talk im Juni – Wie bewegen sich Oldesloer von Morgen fort?

Die Wunsch-Mobilität von Morgen: „Alle Fortbewegungsangebote auf einen Blick, keine 1000 Tickets, ein integrierter Reiseplan, nicht zu teuer“ – so beschreibt sie Axel Czaya. Der Volkswirt aus Hamburg war einer von 22 Gästen des fünften After Work Talks der Transformations- und Innovationsgenossenschaft Bad Oldesloe (TIBO) am 27. Juni 2024. Zu diesem Fast & Curious Circle Bad Oldesloe (wir berichteten über den gleichnamigen Gründer-Podcast als Ideengeber).

Dieses Mal hatten sich neben dem Bürgermeister auch Vertreter von CDU, FBO und Grünen im Pop-Up Coworking-Space am Konrad-Adenauer-Ring 1 eingefunden und diskutierten mit den anderen angeregt über nachhaltige Mobilität im ländlichen Raum.

„Ich bin selbst in der Region Hannover aufgewachsen und hätte das sprinti- Angebot damals gern gehabt“, sagt Referent Silas Föhr. Deshalb hat der Verkehrsplaner bei der Üstra angefangen und kümmert sich nun als sprinti-Projektmitarbeiter um den On-Demand-Service der Region Hannover, der Üstra und Via Mobility DE GmbH aus Berlin. Der mit dem Deutschen Mobilitätspreis ausgezeichnete Service ist per App individuell und flexibel buchbar. Mehrere Fahrgäste mit demselben Ziel werden über einen Algorithmus gebündelt und in ein gemeinsames Fahrzeug in den Lücken zu den Linienbussen gebucht. Sprinti gilt als Vorzeigeprojekt, deckt zwölf Kommunen in der Region Hannover ab und ist mit dem Deutschlandticket nutzbar.

Wie das größte On-Demand-Mobilitätsprojekt Deutschlands funktioniert? Zuerst wird gecheckt, ob bereits eine gute Verkehrsanbindung besteht – „wenn ja, ist der sprinti nicht buchbar“, erläutert Föhr. Damit wird Konkurrenz vermieden und stattdessen ein gutes Miteinander der verschiedenen Angebote ermöglicht. Durch Algorithmen werden Fahrtwünsche gebündelt und so effizient wie möglich bearbeitet. Die guten Nutzerzahlen (116.000 Fahrgäste nutzten den sprinti im Mai 2024, erklärt der Verkehrsplaner durch die „komplette Gleichberechtigung mit anderen Angeboten.“ Wer spontan bucht, muss zwischen 15 und 30 Minuten warten, bis ein Fahrzeug an der nächsten virtuellen Halltestelle (maximal 200 Meter entfernt) bereitsteht. Dem Problem mangelnder Fahrzeugverfügbarkeiten kann durch Vorausbuchung begegnet werden. Die Zahl der Plätze variiert je nach Fahrzeugtyp; in Elektro-Vehikel beispielsweise passen weniger Menschen. Das Fahren ist nicht kommunenübergreifend möglich.

„Wir wollen möglichst barrierefrei sein“, so Föhr, der auf „Kindersitze ab null Jahre“ und „umfassende Betriebszeiten“ (5.30 bis 1 Uhr an Werktagen, am Wochenende bis 4 Uhr) verweist. Derzeit verteilen sich bis zu 120 Fahrzeuge auf die einzelnen Kommunen, „so dass Anfahrtswege nicht lang sind. Durch den On-Demand-Service sprinti wurden etwa 300 Jobs für Fahrer:innen geschaffen“, sagt Föhr. Da derzeit etwa zwei Drittel der Kosten beim Personal anfallen, laufen parallel Tests für autonomes Fahren.

Referent Silas Föhr, Verkehrsplaner bei der Üstra 

Neben Nachhaltigkeit und Integration ermöglicht der sprinti aktive Teilhabe an der Gesellschafft. Denn: „Ein Großteil unserer Nutzer bucht, um Wege zu unternehmen, die sonst unterlassen worden wären“, beschreibt der Wirtschaftsgeograph. An zweiter Stelle stehen diejenigen, die sonst ihr eigenes Auto genutzt hätten oder woanders mitgefahren wären. Eine weitere Besonderheit: „Wir haben Nutzer von 13 bis 85 Jahren“, sagt Föhr. Sprinti verzeichne nicht die klassische Nutzungskurve des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), „wobei junge Leute Pioniere sind und den sprinti besonders schnell in ihre alltägliche Mobilität integrieren. Samstag ist der nutzungsintensivste Tag“, so Föhr. 60 Prozent der Nutzer:innen buchen spontan, 40 Prozent voraus. Die Durchschnittsstrecke liege bei sieben Kilometern“, erklärt Föhr. Mit 3,40 Euro pro Ticket trägt sich das Modell nicht – zudem per Deutschlandticket unbegrenztes sprinti-Fahren möglich ist.

Die Herausforderung besteht nun darin, den Service dauerhaft zu sichern. Die Finanzierung ist vorerst bis 2027 sichergestellt. Daher solle, wenn möglich,„On-Demand mit autonomem Fahren zusammengeführt werden, um Kosten zu senken“, erläutert Föhr.

Was können wir in Bad Oldesloe von Hannover lernen? Baustoffprüfer Jens Wieck (CDU) sagt, „der Nahverkehr kann anders aufgebaut werden.“ Er verweist auf Ahrensburg, wo vhh.mobility im Auftrag des Kreises und in Kooperation mit der Stadt Ahrensburg den On-Demand-Service hvv hop (ehemals ioki Hamburg) betreibt. Als weiteres Beispiel für moderne Mobilität im Norden nennt er das Technologie-Unternehmen Moija im Volkswagen-Konzern. Dieses entwickelt On-Demand-Ridepooling [digitalbasierte]-Angebote, um die Mobilität von Menschen im urbanen Raum neu zu definieren. „Wir sollten die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) und Automatisierung unvoreingenommen prüfen“, meint hingegen Axel Czaya, der sich in Hamburg mit Air-Mobility, also dem Transport von Gütern mit Drohnen beschäftigt. Was die hiesige Problematik ausfallender Schulbusse betrifft, so hält er diesbezüglich etwa eine Ergänzung um E-Bikes für vier Personen für denkbar. Wieck stellt hinsichtlich des Fachkräftemangels bei der Autokraft GmbH die Frage der angemessenen Bezahlung. Auch Sozialpädagogin Dagmar Danke-Bayer (Grüne) kann sich ein „Kreis-Pilotprojekt“ vorstellen. Sie wünsche sich kleinere Mobilitätseinheiten, die flexibler gehandhabt werden können.

Seniortrainer Herbert Hank verweist auf Seefeld, Zarpen und Heilshoop: „Hier fehlt noch Zubringerverkehr zum nächsten Knotenpunkt.“ Auch Sebastian Alrutz sieht eine Erweiterung des ÖPNV als geeignet an. Im Zuge einer Verkehrswende müssten „die Verkehrsverbände hier kooperieren“, so der Betriebswirt aus Hamburg. Bisher sei es ein immenses Problem, per ÖPNV etwa von Ahrensburg nach Bad Oldesloe zu kommen. Per Auto sei das noch einfacher. Deshalb sollten wir hier vom zentralisierten System abrücken und nach einer flexibleren Lösung suchen. Auch Alrutz` Frau Julia bemängelt, dass man von Ahrensburg aus durch drei Tarifzonen müsse, um nach Bad Oldesloe zu gelangen. Das Ticket für diese Strecke ist also verhältnismäßig teuer. Gefragt wären hier in jedem Fall mehr Einheitlichkeit und Transparenz.

Föhrs Tipp: „Das Wichtigste ist die lokale Politik.“ Offenheit und das Einbinden aller Entscheider von Anfang an – TIBO ist also auf dem richtigen Weg. Oder wie Maschinenbauer Andreas Rinke es formuliert: „Ländlichere Regionen müssen an Metropolen angebunden werden.“ Diese Idee sollte der HVV aufgreifen, denn Hannover hat gezeigt, dass das bestens funktioniert. Helft uns dabei, Bad Oldesloes Mobilitätskonzept der Zukunft gemeinsam zu erarbeiten!

Text und Hauptbild: Johanna Eggert


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